Wir erinnern uns: Anfang Februar diesen Jahres machte die Nachricht die Runde, Karl-Theodor zu Guttenberg habe möglicherweise in seiner Doktorarbeit gepfuscht, vielleicht sogar gemogelt. Ein solcher Verdacht wirft natürlich kein allzu gutes Licht auf einen Politiker. Denn auch eine gefeierte Lichtgestalt, wie es der damalige Verteidigungsminister zu jener Zeit war, ist darauf angewiesen, daß ihn das Publikum (i.e. das Wahlvolk) für glaubwürdig hält.
Und so ist ein solcher Vorwurf, man habe bei der Anfertigung einer schriftlichen Doktorarbeit unsauber gearbeitet (sich gar mit Vorsatz an fremdem geistigen Eigentum bedient und bereichert), mehr als unerfreulich. Die Aufrechterhaltung von Glaubwürdigkeit und der (im Raum stehende) Verdacht des Wissenschaftsbetrugs sind halt schlicht nicht miteinander kompatibel.
Am 16. Februar 2011 ließ Guttenberg mitteilen:
“Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus. Ich bin gerne bereit zu prüfen, ob bei über 1.200 Fußnoten und 475 Seiten vereinzelt Fußnoten nicht oder nicht korrekt gesetzt sein sollten und würde dies bei einer Neuauflage berücksichtigen.”
Ein paar Fußnoten nicht korrekt gesetzt?
Das ist schön und klar formuliert. Und es hört sich auch anständig an. Wer jemals eine umfangreiche akademische Arbeit mit einem Umfang von vielen hundert Seiten verfasst hat, der weiß, daß so etwas dabei durchaus passieren kann. Wer ist schon unfehlbar? Auch Doktorarbeiten werden von Menschen geschrieben. Ein paar Fußnoten nicht korrekt gesetzt? Eine handvoll Quellen nicht nach den strengen wissenschaftlichen Zitierregeln angegeben? Es wäre fast eine Bagatelle, eine läßliche Sünde.
Heute sind wir schlauer. Auf dem GuttenPlag-Wiki wurde innerhalb weniger Wochen von dutzenden Freiwilligen die juristische Doktorarbeit Karl-Theodor zu Guttenbergs überprüft. Alle Textstellen, die aus anderen Quellen übernommen wurden, aber nicht als solche gekennzeichnet waren, wurden dokumentiert.
Das Ergebnis könnte eindeutiger kaum sein. Auf 94,4% aller Seiten von Guttenbergs Arbeit finden sich Plagiate. Aus insgesamt 135 Quellen hat Guttenberg abgeschrieben (oder wer auch immer diese Arbeit zusammengestöpselt hat). Wenn man die gesamte Textmenge heranzieht, so stammen davon 63,8% nicht aus der Feder des vermeintlichen Verfassers, der für diese “Leistung” mit einem Doktortitel belohnt werden wollte.
In der Visualisierung sieht das so aus (die weißen Bereiche stehen für Textpassagen ohne Plagiate, im ganzen Rest wurde von einer oder mehreren Quellen abgeschrieben, Abbildung stammt von der Seite GuttenPlag):
Wie formulierte zu Guttenberg noch gleich?: “Der Vorwurf, meine Doktorarbeit sei ein Plagiat, ist abstrus.” – Ach ja, alles klar. Er wolle überprüfen, ob “vereinzelt (!) Fußnoten (!) nicht korrekt gesetzt sein sollten.” – Netter Versuch…
Von Anfang an als Collage angelegt…
Ich habe am Dienstag auf der Wissenswerte in Bremen einen Vortrag von Tim Bartel gehört, der in Deutschland hinter Wikia steht, die u.a. das GuttenPlag-Wiki betreiben. Tim Bartel stellte klar, daß Guttenbergs Doktorarbeit von Anfang an als Collage angelegt war.
Nochmal: Guttenbergs Doktorarbeit hat insgesamt 393 Seiten. Auf lediglich 22 Seiten finden sich keine Plagiate. Der Rest ist schlicht und einfach zusammengeklaut.
Daß die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen nun gegen Zahlung von 20.000 Euro eingestellt hat (ein kaum schmerzhafter Betrag für den Sproß einer Familie, deren Vermögen auf mehrere Hundert Millionen Euro geschätzt wird), ist ärgerlich, aber nicht zu ändern. Daß die ZEIT diese Woche fleißig am Comeback, des angeblich geläuterten zu Guttenberg mitarbeitet, ist befremdlich und eigentlich nur noch zum Kotzen.
1 Kommentar
[…] Es sind aber auch einige “Perlen” im Buch enthalten. Man fragt sich wirklich, ob der das selbst glaubt. Kann man sich so weit von der Realität entfernen? Nochmal kurz zur Erinnerung: Auf den knapp 400 Seiten seiner Dissertation finden sich gerade 22 Seiten, auf denen nicht abgeschrieben wurde. Aus insgesamt 135 nicht gekennzeichneten Quellen hat sich zu Guttenberg (oder wer auch immer das Ding geschrieben hat) bedient (weitere Details in dieser Notiz). […]