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Notiz

Realitätsverlust, oder: Die Frei- und Selbstherrlichkeit von Karl-Theodor zu Guttenberg

Realitätsverlust, oder: Die Frei- und Selbstherrlichkeit von Karl-Theodor zu Guttenberg

Man sollte sich mit diesem aufgeblasenen Affen eigentlich gar nicht mehr beschäftigen. Aber im Frühjahr, als zu Guttenbergs Mogelpackung aufflog, war ich (glücklicherweise) in Neuseeland und Australien und habe kaum etwas von dem ganzen Theater mitbekommen. Vielleicht wäre mir der aktuelle frei- und selbstherrliche Comebackversuch sonst ja gleichgültig. Ist es aber nicht. Der Kerl regt mich einfach auf.

Heute jedenfalls ist zu Guttenbergs Buch erschienen. Wenn ich den Kommentaren derjenigen glauben darf, die das Buch bereits durchgesehen haben, so handelt es sich (wie zu erwarten war), um ein selbstgefälliges Rechtfertigungspamphlet. Und natürlich reitet der feine Herr zu Guttenberg einige Attacken gegen solche Weggefährten oder Parteifreunde, von denen er offenbar nicht mehr annimmt, daß sie ihm zukünftig noch nutzen werden. Naja, mal schauen, ob Guttenbergs Auferstehungskalkül aufgeht.

Es sind aber auch einige “Perlen” im Buch enthalten. Man fragt sich wirklich, ob der das selbst glaubt. Kann man sich so weit von der Realität entfernen? Nochmal kurz zur Erinnerung: Auf den knapp 400 Seiten seiner Dissertation finden sich gerade 22 Seiten, auf denen nicht abgeschrieben wurde. Aus insgesamt 135 nicht gekennzeichneten Quellen hat sich zu Guttenberg (oder wer auch immer das Ding geschrieben hat) bedient (weitere Details in dieser Notiz).

Und dann schreibt er tatsächlich:

“Ich bin nicht bereit, mir von einer Kommission, die noch nicht einmal mehrheitlich mit Juristen besetzt gewesen ist, eine rechtlich relevante vorsätzliche Täuschung vorwerfen zu lassen.”

Bravo! Wirklich ein Unding, daß die Universität Bayreuth eine solche Kommission mit irgendwelchen Dilettanten besetzt. Wie unfair!

Was wäre zu Guttenberg denn recht gewesen? Wie hoch hätte der Juristenanteil in der Kommission denn sein müssen, damit er deren Urteil akzeptiert? Eine 2/3-Mehrheit von Juristen? Eine 100% mit Juristen besetzte Kommission?

Aber, seien wir ehrlich: Hätte die Kommission ausschließlich aus Juristen bestanden, was hätten wir heute von Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg lesen dürfen? – Genau:

“Ich bin nicht bereit, mir von einer Kommission, die noch nicht einmal mehrheitlich mit Adeligen besetzt gewesen ist, eine rechtlich relevante vorsätzliche Täuschung vorwerfen zu lassen.”

Recht hat er, verdammt nochmal! Und außerdem: ist denn niemandem aufgefallen, daß die Kommission “noch nicht einmal mehrheitlich mit Franken besetzt gewesen ist”? Und reklamiert werden muß auch, daß die Kommissionsmitglieder im Durchschnitt weniger als vier Vornamen hatten!

Karl-Theodor, Dir ist Unrecht widerfahren!

2 Kommentare

  1. Ich muss Dir leider sagen, dass Du da ein paar spannende Diskussionen verpasst hast… Aber keine Sorge, Guttenberg selbst eilt Dir mit seiner Rückkehr auf die mediale Bühne zu Hilfe 😉

    Der Vorwurf an die Kommission “Selbstkontrolle in der Wissenschaft” der Universität Bayreuth zeigt doch nur, dass er wohl nicht Willens (oder in der Lage ist), seinen Fehler wirklich einzugestehen. Ich finde das beschämend. Und die Staatsanwaltschaft Hof hat ihm, man könnte fast meinen in vorauseilendem Gehorsam, anscheinend tatsächlich die Möglichkeit eingeräumt den Termin der Einstellung des Strafverfahrens mitzubestimmen.

    Und wieso gibt sich die “Zeit” – die ich bisher für einen Hort des qualitativen Journalismus gehalten habe – als Steigbügelhalter für einen solchen Blender her?

    • @Christoph: Ja, wobei man seine Zeit sicher sinnvoller am anderen Ende der Welt verbringt, als sich hier über Guttenbergs Dreistigkeit aufzuregen. 😉

      Und die Fragen, die Du stellst, die beschäftigen mich auch. Und Antworten habe ich auch keine. Die Staatsanwaltschaft hat es sicher recht gut mit ihm gemeint, aber da kann ich ehrlicherweise nicht wirklich gut einschätzen, ob die Einstellung des Verfahrens zwingend war oder ob man auch zu anderer Einschätzung hätte kommen können.

      Und auch was man sich bei der ZEIT gedacht (oder eben nicht gedacht) hat, weiß ich nicht. Die Kritik, die das Interview hervorgerufen hat und die negative Resonanz, die ja nicht nur Guttenberg, sondern die Zeit selbst betraf, hatte man aber so wohl nicht erwartet.


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